Wie wir energieautark werden können. Und was uns das kostet.

30.6.2022

Wie man ein Einfamilienhaus autark konzipiert

Bevor wir uns damit beschäftigen, wie man ganz Europa unabhängig von Energieimporten werden kann, fangen wir erstmal klein an. Wir beginnen damit, zu untersuchen, wie man ein Haus autark versorgen kann.

Wir gehen davon aus, dass wir ein Einfamilienhaus in Österreich besitzen. Wie bereits in einem anderen Blogpost erwähnt, nehmen wir einen jährlichen Energieverbrauch von 5000 kWh/Jahr an (es handelt sich dabei um den durchschnittlichen Verbrauch eines Haushalts mit 4 Personen laut CO2 online.de). Nach aktuellen Preisen (~0.2 €/kWh) hätten wir damit jährliche Kosten von 1100 €. Wir nehmen einfachheitshalber an, dass keine Heizung gebraucht wird. (Ja, das ist sehr wahrscheinlich falsch. Aber es wird sowieso gleich komplizierter.)

Der scheinbar offensichtliche Weg um Kosten zu reduzieren, ist die Installation einer PV-Anlage. Um unseren Energiebedarf zu decken, brauchen wir laut pvgis (einem Online-Tool zur Simulation von PV-Anlagen) eine Anlage in der Größe von mindestens 70m².

Graph Energy Output PV System_DE

Was aber bei der Installation von PV-Anlagen nicht so offensichtlich ist: So gut wie niemand kann elektrische Energie zur gleichen Zeit nutzen, wie die PV-Anlage sie produziert. Abhängig vom individuellen Nutzungsprofil werden nur ~15-40 % der Energie vom Produzenten tatsächlich verwendet. Mattia Marinelly hat dazu vor einigen Wochen hier einen sehr relevanten Beitrag veröffentlicht.

Graph Export_DE

Im besten Fall kann diese PV-Anlage unseren Energiezukauf reduzieren. Dabei sinkt unser jährlicher Energiebedarf auf 3000 kWh bzw. unsere Energiekosten auf 660 € pro Jahr. Um mehr eigenproduzierte Energie zu nutzen, gibt es die Option einen Energiespeicher zu kaufen. Mit dem “Unabhängigkeitsrechner” von htw Berlin lässt sich jedoch feststellen, dass wir selbst mit dem größtmöglichen Speicher nicht vollständig autark sind. Wir können bestenfalls zu 69% energieautark werden. Bummer. Aber machen wir mal weiter.

HTW Unabhängigkeitsrechner

Autarkie ist relativ teuer

Mit dem oben beschriebenen System reduzieren wir unsere Abhängigkeit von extern angebotener Energie und werden zu ~70 % autark. Das bedeutet, wir sparen somit 70 % unserer anfänglichen Energiekosten. Das sind 110 € mehr als in einem System mit PV-Anlage, aber ohne Energiespeicher.

Aber die Kosten dieser Anlage sind hoch. Der Preis der PV-Module liegt etwa bei 2 €/Wp (wie zum Beispiel bei diesem willkürlich ausgewählten Anbieter). In unserem Fall wäre der Preis für die PV-Anlage etwa ~10.000 €. Mit dem aktuellen Preis von ~500 €/kWh, kostet uns eine Speicheranlage zur Erhöhung unseres Autarkiegrads ~10.000 €. Damit wären wir bei Anschaffungskosten von 20.000 €. Das bedeutet, erst nach ~26 Jahren würde sich dieses Investment rentieren (ROI).

Um die tatsächlichen Kosten der Autarkie zu bewerten, müssen wir berücksichtigen, dass eine Batterie dieser Größe für uns nicht die kostenoptimale Lösung ist. Um dies zu veranschaulichen, untersuchen wir ein Szenario, in dem wir statt dem Batteriespeicher zusätzliche PV-Module kaufen und überschüssige Energie in das Netz rückspeisen.

Für besagte 10.000 € (der geschätzte Preis für eine Batterie) könnten wir weitere PV-Module kaufen, die uns einen zusätzlichen Jahresertrag von 5000 kWh liefern. Ohne Batterie werden wir sehr wahrscheinlich nur etwa 15 % der von unserer Anlage produzierten Energie verbrauchen. In unserem Fall bedeutet das, dass wir 1500 kWh selbst verbrauchen. So bleibt uns Rückstand von 3500 kWh, den wir von unserem Anbieter zukaufen müssen. Unsere Stromrechnung beträgt jetzt 770 € pro Jahr.

Scheint unserem Batterieszenario ebenbürtig zu sein, oder? Aber es gibt noch einen Pluspunkt für unser Mini-Kraftwerk. Wir können die überschüssige Energie, die unsere PV-Anlage liefert, einfach an unsere Nachbarn und andere umliegende Verbraucher verkaufen. Nehmen wir die aktuell niedrigen Tarife von ~0,04 €/kWh an. Wir würden einen Jahresumsatz von ca. 340 € machen.

Wenn wir das berücksichtigen, reduziert sich unsere jährliche Stromrechnung jetzt auf 770€-340€=430€. Das klingt nach einem ziemlich erstaunlichen Geschäft, aber nur, wenn es ein Netzwerk von anderen Verbrauchern gibt, die unseren Strom kaufen. Dies widerspricht jedoch bis zu einem gewissen Grad dem Konzept der Autarkie.

Communities sind effizient

Das obige Beispiel zeigt, wie geteilte Energie zu geringeren Kosten führt. Gut gestaltete Netzwerke führen zu einer besseren Nutzung der Ressourcen. Energiegemeinschaften sind ein Instrument, mit dem wir solche Netzwerke für kleinere Systeme aufbauen können. Wir müssen unserem Freund Ricardo Wickert von Hakomzustimmen. In dieser Diskussion hat er kürzlich gezeigt, dass Communities ein großartiges Werkzeug sind und uns dabei helfen, effizienter zu werden.

Quote Ricardo Wickert_DE

Was bedeutet das für unser Ziel, energieautark zu werden?

Wenn wir Autarkie sagen, meinen wir also Nachhaltigkeit

Wir haben diesen Text mit einem Trigger begonnen. Dem aktuelle Krieg in der Ukraine. Und die drohende Gefahr einer unterbrochenen Gasversorgung. Die Unabhängigkeit von russischem Gas, oder fossilen Energiequellen im Allgemeinen, ist aktuell wichtiger denn je und muss angestrebt werden. Heute ist billig importierte fossile Energie immer noch die attraktivste Energiequelle. Aber das soll sich ändern.

Nun haben wir festgestellt, dass dies auf den ersten Blick attraktiv erscheinen mag, aber auch keine nachhaltige Antwort ist. Autarkie ist ein Begriff, der Opfer des Greenwashings wurde. Er gibt uns das Gefühl, dass wir in einer Gesellschaft leben, die nachhaltig mit Energieressourcen umgeht. Jetzt verstehen wir, dass Autarkie selbst für kleine Systeme ein ineffizientes und relativ umfangreiches Konzept ist. Große, autarke Systeme, insbesondere im industriellen Kontext, sind noch ineffizienter und teurer.

Ist jetzt alles verloren? Wir denken nicht. Nicht einmal ein bisschen. Wir müssen das Problem nur neu formulieren, um zu einer Lösung zu gelangen. Und das kann einfach sein. Es muss individuell entschieden werden, wie ein Energiesystem effizient und nachhaltig für die Nutzer gestaltet werden kann.

Wie das für verschiedene Szenarien aussehen kann, werden wir in zukünftigen Beiträgen behandeln. Und wenn Sie Ihren individuellen Weg zu einem nachhaltigen Energiesystem beleuchten möchten – get in touch with us!